Die Folgen eines möglichen Blackouts
Ein mögliches Blackout-Szenario
Da es keine allgemeingültige Definition für den Begriff Blackout gibt, ist es wichtig, eine solche für die jeweilige Betrachtung bereitzustellen. In diesem Sinne verstehen wir hier unter einem Blackout einen plötzlichen, überregionalen, weite Teile Europas oder zumindest mehrere Staaten betreffenden und länger andauernden Strom-, Infrastruktur- sowie Versorgungsausfall. Eine Hilfe von außerhalb ist nicht möglich.
Selten ist bewusst, dass es sich bei der Stromversorgung um ein europäisches Verbundsystem handelt, das zwar weltweit zu den verlässlichsten zählt, aber trotzdem ein äußerst fragiles System ist, wo zu jedem Augenblick die Balance zwischen Erzeugung und Verbrauch ausgeglichen sein muss. Ansonsten kommt es zum Kollaps. Seit Jahren kumulieren unterschiedliche Stressfaktoren, die einen großflächigen Ausfall begünstigen und erhöhen damit das Risiko für eine europaweite Großstörung.
Grundsätzlich gibt es umfangreiche Sicherheitsmechanismen, die eine solche Großstörung verhindern sollen. Diese wurden jedoch für eine Kraftwerks- und Netzsituation konzipiert, die immer weniger vorzufinden ist. Zudem gibt es keine hundertprozentige Sicherheit.
Die Einschätzung, ob ein Blackout nun wirklich möglich ist, ist unter Experten durchaus umstritten. Aber auch eine Pandemie, die unser Leben binnen weniger Tage auf den Kopf stellen würde, war bis März 2020 kaum vorstellbar, genauso wenig ein konventioneller Krieg mitten in Europa.
Verheerende Folgen eines Blackouts
Die wirkliche Gefahr eines Blackouts geht nicht vom Stromausfall aus, sondern von den daraus folgenden und länger andauernden Versorgungsunterbrechungen in allen Lebensbereichen, die unsere heutige (unvorbereitete) Gesellschaft binnen weniger Tage an den Rand des Kollapses bringen könnten.
Auch ein nur Stunden andauernder großflächiger – über mehrere Staaten reichender – Stromausfall hätte bereits das Potenzial, schwerste Folgeschäden in der Produktion und Logistik auszulösen, da weder die Bevölkerung noch die Unternehmen noch der Staat auf ein solches Ereignis vorbereitet sind, wie bereits 2010 in der Studie des deutschen Büros für Technikfolgenabschätzung „Gefährdung und Verletzbarkeit moderner Gesellschaften – am Beispiel eines großräumigen und langandauernden Ausfalls der Stromversorgung“ festgehalten wurde (1):
„Aufgrund der nahezu vollständigen Durchdringung der Lebens- und Arbeitswelt mit elektrisch betriebenen Geräten würden sich die Folgen eines langandauernden und großflächigen Stromausfalls zu einer Schadenslage von besonderer Qualität summieren. Betroffen wären alle Kritischen Infrastrukturen, und ein Kollaps der gesamten Gesellschaft wäre kaum zu verhindern. Trotz dieses Gefahren- und Katastrophenpotenzials ist ein diesbezügliches gesellschaftliches Risikobewusstsein nur in Ansätzen vorhanden.“ [Petermann et al. (2010). S. 4.]
„Die Folgenanalysen haben gezeigt, dass bereits nach wenigen Tagen im betroffenen Gebiet die flächendeckende und bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung mit (lebens)notwendigen Gütern und Dienstleistungen nicht mehr sicherzustellen ist.“ [Petermann et al. (2010). S. 15.]
Die gesellschaftliche Verwundbarkeit hat jedoch in den vergangenen 10 Jahren erheblich zugenommen. Der Vorsorgegrad ist tendenziell gesunken, insbesondere in den Organisationen, Unternehmen, aber auch beim Staat, da aus betriebswirtschaftlichen Überlegungen Rückfallebenen, Reserven und Lager häufig als „totes Kapital“ eingespart wurden. Erst dadurch wird ein mögliches Blackout zur völlig unterschätzten Katastrophe.
Während ein Stromausfall in Österreich nach rund ein bis zwei Tagen behoben sein könnte, rechnet man auf europäischer Ebene mit rund einer Woche, bis wieder überall der Strom fließt. Österreich wie auch die Schweiz können mit den Pumpspeicherkraftwerken wesentlich rascher wieder ein Netz aufbauen als etwa Deutschland. Ganz abgesehen von der unterschiedlichen Ländergröße und dem damit verbundenem deutlich höheren Koordinierungsaufwand. Die Folgewirkungen werden jedoch Monate und länger anhalten. So ist etwa zu erwarten, dass es zumindest mehrere Tage nach dem Stromausfall dauern könnte, bis Handy, Festnetz und Internet wieder breiter verfügbar sein werden. Damit gibt es bis dahin in der Regel weder eine Produktion noch Logistik oder Treibstoffversorgung. Diese werden voraussichtlich erst in der zweiten Woche wieder umfassender anlaufen können.
Bis dahin haben aber bereits 6 Millionen Menschen in Österreich nichts mehr zu Essen und sie sehen, dass die Supermärkte leer oder möglicherweise sogar zerstört sind und dass nichts kommt (2): [Kleb et al (2015)]. Besonders kritisch ist das beim Personal der Einsatzorganisationen oder der organisierten Hilfe, aber auch bei jenen Unternehmen, welche wieder möglichst rasch eine Notproduktion starten müssen. Wenn Menschen hungern und sich zu Hause in der Krise befinden oder keinen Treibstoff bekommen, werden sie nicht in die Arbeit kommen. Damit wird eine rasche Wiederversorgung der Bevölkerung mit lebenswichtigen Gütern und Dienstleistungen nicht gelingen. Ein Teufelskreis, der dann kaum mehr zu durchbrechen ist.
Dabei könnte eine vorgesorgte Gesellschaft mit einem solchen Szenario gut umgehen: Wenn sich möglichst viele Menschen zumindest 14 Tage mit dem notwendigsten selbst versorgen könnten, könnte auch rasch wieder eine Notversorgung hochgefahren werden.
Nachweise:
Inhalt und Text (Auszugsweise) von Herbert Saurugg, Msc – Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Krisenvorsorge
(1): Petermann, Thomas und Bradke, Harald und Lüllmann, Arne und Poetzsch, Maik und Riehm, Ulrich. 2010. Gefährdung und Verletzbarkeit moderner Gesellschaften – am Beispiel eines großräumigen und langandauernden Ausfalls der Stromversorgung. Bundestag (Berlin)
(2): Kleb, Ulrike und Katz, Nicholas und Schinagl, Clemens und Angermann, Anna. 2015. Risiko- und Krisenmanagement für die Ernährungsvorsorge in Österreich (EV-A).